Freitag, 9. Oktober 2009

Buch 1, Seite 16-33, Zur Einstimmung

Seite 16-27
Inhaltsverzeichnis, dieses spare ich mir hier im Blog, da es sich durch das Schlagwortverzeichnis automatisch ergibt.
Seite 28-33

Zur Einstimmung

Seiffen, ein kleines Dorf mitten im schönen Erzgebirge gelegen, ist die Heimat der wohl bekanntesten Holzkunsthandwerker des Landes. Die dreitausend Seelengemeinde hat seit Generationen einen guten Namen in der Welt. Wie so oft in der Geschichte des arbeitenden Menschen ist das Größte aus einer wirtschaftlichen Misere entstanden. Mit dem untergehenden Erzbergbau im 17. und 18. Jahrhundert entstand aus der Not eine Tugend. Die bis dahin mitunter betriebene häusliche Holzbearbeitung wurde zum einzigen Broterwerb für die Familien. Die Bergleute standen in Flautezeiten des Bergbaus an ihrer Fußdrechselbank und fertigten vor allem Gebrauchs- und Haushaltsgegenstände und mitunter wohl auch Spielsachen an. Der Zinnbergbau brachte die Nutzung der Wasserkraft für Pochwerke und ähnliches mit sich. Diese vorhandenen Werke eigneten sich hervorragend für die Drechselei. Der Gestalter der Motive und Formen war das tägliche Leben. Es entstand eine klare verständliche Formensprache. Die Seiffener Handwerkskunst kam völlig ohne die verspielten und überfüllenden Einflüsse des damals aufkommenden Barocks aus. Die volkstümliche Darstellung von Personen und Gegenständen aus dem Leben eignete sich hervorragend zum Spielen. Die Szenen aus dem Weihnachtsland und biblische Szenen in Holz gefertigt gaben die Vorstellungen der Menschen jener Zeit wieder. Zwei Figuren, die wahrscheinlich um 1830 entstanden, sind die Lichterträger Engel und Bergmann. Sie veranschaulichen die Sehnsucht nach dem Licht. Die beiden Figuren waren zur Weihnachtszeit Schmuckgegenstand in der Stube des Bergmanns. In ähnlicher Form waren Engel und Bergmann sicherlich auch Spielzeug für die Kinder. Die Motivwahl zeigt sehr deutlich, wie wichtig den Bergleuten die Arbeit, der Glaube und die Hoffnung waren.

Die Seiffener Produkte fanden ihren Weg auf den Markt. So konnte sich die Holzbearbeitung als selbständiges Handwerk entwickeln. Im Laufe der Jahre kamen neue Techniken und viele neue Produkte hinzu.

Heute beschäftigen sich in Seiffen und den angrenzenden Orten Deutschneudorf und Deutscheinsiedel über einhundert Familienbetriebe mit dem traditionellen Handwerk. Sie festigen Tag für Tag mit immer neuen Ideen und einer hohen Qualität den Ruf Seiffens in aller Welt. Diesen fleißigen Leuten ist das Büchlein gewidmet. Hier sind die Handwerker, die heute hier arbeiten, verewigt. Gleichzeitig soll das Büchlein Ihnen ein klein wenig Seiffener Atmosphäre vermitteln, obwohl ich weiß, dass man Seiffen nicht erzählen oder erlesen kann - Seiffen muß man erleben. Nutzen Sie doch einfach die Gelegenheit, mal beim Spanbaumstechen, beim Drechseln oder beim Bemalen zuzuschauen. Es ist sehr interessant, und mancher Handwerker erfüllt auch Ihren Sonderwunsch.

Seiffen bietet aber auch noch mehr. Sehenswert sind vor allem das Spielzeugmuseum und das Freilichtmuseum. Zeugen der bergbaulichen Vergangenheit finden Sie in und um Seiffen reichlich. Da ist zum einen die “Binge” und die “Geyerin” mit einem Bergbaulehrpfad, zum anderen finden Sie viele kleine Halden und manchen Stolleneingang um Seiffen herum. Eine besondere Einladung gilt allen Naturfreunden und Erholungssuchenden. Die herrliche Lage Seiffens zwischen den drei Bergen (Ahornberg, Schwartenberg und Reicheltberg) bietet viele Möglichkeiten zum Wandern oder Skifahren.

Dieses Büchlein soll ein Zeuge dieser Zeit sein. Obwohl man nicht alles wiedergeben kann, so habe ich doch versucht, die Handwerker darzustellen, wie ich sie im Laufe des vergangenen Jahres bei ihrer Arbeit angetroffen habe. Es ist dabei kein Lesebuch entstanden, eher ein kleines Lexikon. Die Worte zu jedem der fast 100 Handwerksbetriebe entstanden im zum Teil stundenlangen Gesprächen und spiegeln Tradition und Einstellungen genauso wieder wie typische Produkte und Produktionsverfahren. Nehmen Sie das Büchlein als Angebot, in diese lebendige Geschichte Seiffens einzutauchen und die Handwerker und ihre Werkstätten kennen zulernen.

Aus "Die Handwerker des Spieleugwinkel", 1994